29. September 2022

Im Faktencheck: Die 9 gängigsten Mythen rund um die Elektromobilität

Neue Technologien werden nicht immer mit Beifall bedacht. Das lässt sich sehr leicht an dem heiß diskutierten Thema Elektromobilität feststellen. Auf der einen Seite lehnen echte Verbrenner-Fans das E-Auto grundsätzlich ab und wiederum Umweltbewusste feiern den technischen Fortschritt zur Rettung des Klimas. Dennoch halten sich viele Mythen und Vorurteile rund um die Elektromobilität hartnäckig. Aber wie viel Wahrheit steckt tatsächlich dahinter? Unsere E-Mobilität-Experten haben die 9 verbreitetsten Mythen einem Faktencheck unterzogen. 

#1 Mythos: Die teuren Akkus von E-Autos halten nicht lange

Wir kennen es von unseren Smartphones und Laptops: Die Batterien lassen mit der Zeit nach und manchmal schneller als erwartet. Der Akku ist auch bei den Herstellern von Elektrofahrzeugen kein neues Thema und durch die stetige Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Akkus wurden erhebliche Verbesserungen im Bereich der Sicherheit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit erreicht. Die ersten Langzeiterfahrungen von über einem Jahrzehnt E-Auto zeigen, dass meist nicht der Akku Probleme bei alten E-Autos macht, sondern der übliche Pkw-Verschleiß schlägt zu Buche wie Rost, ausgeschlagene Buchsen und Lager im Fahrwerk. 

Einer der Gründe liegt in dem intelligenten Batteriemanagement, das in E-Autos verbaut ist. Dies hält den Akku im optimierten Zustand. Der ADAC konnte in mehreren Langzeittests die Lebensdauer von Akkus nachweisen, die von Herstellerseite als Garantie gegeben wird: Eine Laufzeit von 8 Jahren (bzw. 160.000 Kilometer) sind üblich. Dabei bleiben 70 % der ursprünglichen Speicherkapazität mindestens erhalten. Jedoch hat das persönliche Ladeverhalten einen Einfluss auf die Akkugesundheit. Wer sein E-Auto richtig lädt, dürfte auch nach 8 Jahren erst rund 10 % der ursprünglichen Kapazität einbüßen. Weiterführende Informationen zu dem Thema finden Sie in unserem Beitrag „Elektroautos richtig laden – so hält der Akku länger“.

#2 Mythos: E-Autos sind viel teurer und das rechnet sich nicht

Aktuell noch richtig ist, dass E-Autos in der Anschaffung teurer sind als vergleichbare Benziner oder Diesel hinsichtlich Größe, Ausstattung, Komfort etc. Dies wird sich in den kommenden Jahren ändern durch größere Serienproduktionen. Wenn wir jedoch von der Wirtschaftlichkeit eines Fahrzeuges sprechen, sind nicht nur die Anschaffungskosten ausschlaggebend. Weitere Kostenfaktoren müssen hinzugenommen werden, wie etwa die Kosten für Treibstoff und Energie. Auch die Kosten für Wartung sollten betrachtet werden. Da beim Stromer viel weniger verschleißanfällige Teile verbaut sind als beim klassischen Verbrenner, sind beispielsweise diese Kosten hier beim E-Auto erheblich geringer. 

Dies wurde unter anderem in dem Ende Oktober 2021 erschienenen Car Cost Index 2021 von Leaseplan bestätigt. Zum sechsten Mal in Folge analysierten die Experten für Leasing und Fuhrparkmanagement die Gesamtbetriebskosten von Fahrzeugen. Demnach ist in Deutschland der jährliche Unterhalt eines Mittelklasse-Diesels 200 Euro teurer als eines reinen Elektroautos. Dieses Ergebnis wurde auch durch eine Studie der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. in 2021 bestätigt. Mit einem neu angeschafften E-Auto in der Mittelklasse können in vier Jahren rund 29 % oder 11.000 Euro im Vergleich zu einem gleichwertigen Benziner an Kosten gespart werden.

#3 Mythos: Ladeinfrastruktur – fehlen tatsächlich Ladestationen?

Fakt ist, dass sich in Deutschland nach einer Studie des Europäischen Automobilherstellerverbands (ACEA) (Link) knapp ein Fünftel der Ladesäulen innerhalb der Europäischen Union befinden. Und da steht Deutschland nach den Niederlanden auf Platz 2. Eine neue Studie „Der E-Mobility-Check: Wie bereit ist Deutschland?“, die von PwC Deutschland und Strategy& durchgeführt wurde, gab es im Mai 2022 in Deutschland rund 60.400 öffentliche Ladepunkte mit einem wöchentlichen Zuwachs von etwa 330. Nach der Bundesnetzagentur mit Stand Juli 2022 liegen die aktuellen Zahlen zum Ladenetz sogar noch darüber. Demnach gibt es rund 54.000 Normal-(AC) und 10.000 Schnellladepunkte (DC). 

Weitaus interessanter, als die Zahl von Ladepunkten zu betrachten, ist jedoch die Leistungsfähigkeit pro Ladestation. Denn statt vormals 11 oder 22 Kilowatt-Ladestationen werden immer mehr Anlagen mit bis mehreren Hundert kW installiert. Damit wird die Ladedauer verkürzt und die Verfügbarkeit der Ladepunkte erhöht. Ein weiterer wichtiger Aspekt, den das Fraunhofer-Institut in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, ist, dass die überwiegende Mehrheit an E-Autofahrern nicht-öffentliche Ladepunkte nutzt. So werden 9 von 10 Ladevorgängen an nicht-öffentlichen Ladesäulen durchgeführt – also privat zu Hause oder auch am Arbeitsplatz. Insgesamt werden damit bei genauerem Betrachten die plakativ genutzten Zahlen und Hochrechnungen an fehlenden öffentlichen Ladepunkten entkräftet.

#4 Mythos: E-Fahrzeuge sind gefährlich leise

Rund 75 % der Deutschen fühlen sich laut dem Umweltbundesamt vom Verkehrslärm am Wohnort belästigt, selbst bei den heutigen deutlich leiser gewordenen konventionellen Antrieben. Im Vergleich zu einem Benziner oder Diesel surren E-Autos scheinbar lautlos über die Straße. Was sich auf den ersten Blick eindeutig als Vorteil für Anwohner darstellt, hat auch eine Schattenseite. Elektroautos erzeugen nur durch das Rollen der Räder Geräusche, denn der Motor selbst arbeitet lautlos. Besonders bei langsamem Fahren von bis zu 20 km/h sind sie so gut wie vollkommen geräuschlos im Straßenverkehr unterwegs. Das birgt ein Risiko in der Verkehrssicherheit.

Deshalb wurde bereits in 2014 die EU-Verordnung Nr. 540/2014 erlassen. Sie schreibt vor, dass E-Autos mit einem akustischen Fahrzeug-Warnsystem ausgerüstet sein müssen. Das AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) gilt seit Juli für alle neuen Elektrofahrzeugmodelle mit Hybrid- oder Elektroantrieb und es wird ein Warnton abgegeben, wenn das E-Fahrzeug unter 20 km/h fährt. Ab dem 1. Juli 2021 müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge über ein AVAS verfügen.

#5 Mythos: Das E-Auto aufzuladen dauert viel zu lang 

Ein Benziner oder Diesel ist an der Tankstelle schneller vollgetankt als ein E-Auto geladen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Jedoch muss ein Auto mit Verbrennungsmotor immer an einer Tankstelle aufgetankt werden. Im Schnitt wird das eigene Auto nur etwa eine Stunde am Tag genutzt und die restliche Zeit steht es beispielsweise auf dem Parkplatz beim Arbeitgeber, in der eigenen Garage oder in der Tiefgarage vom Shoppingcenter oder Supermarkt. Diese Zeiten können ideal dafür genutzt werden, das eigene E-Auto aufzuladen. Damit entfallen die regelmäßigen Besuche bei Tankstellen, die aktuell für Autos mit Verbrennungsmotor regelmäßig anfallen.

Und noch ein weiterer Aspekt ist interessant, denn die Ladedauer des eigenen Elektroautos wird maßgeblich durch 3 Faktoren bestimmt: die Batteriekapazität, die Ladetechnik des E-Autos und die Ladeleistung der Ladestation. Die meisten E-Auto-Modelle können heute Stromstärken von ca. 120 kW in der Spitze laden – Tendenz steigend. Damit gewinnen Schnellladestationen immer mehr an Wichtigkeit, da der Ladevorgang ebenfalls innerhalb von rund 20 Minuten erledigt werden kann.

#6 Mythos: Elektromobilität belastet die Umwelt

Auf unseren Straßen sind E-Autos die klaren Gewinner im CO2-Fußabdruck-Vergleich, denn sie stoßen kein CO2 aus. Jedoch hängt ihre Klimafreundlichkeit maßgeblich davon ab, welche Stromart zum Laden genutzt wird. Denn erst das Laden mit grünem Strom aus erneuerbaren Energien macht sie tatsächlich umwelt- und klimaschonend. Das ist aber nicht der einzige Faktor, der in die Umweltbilanz eines E-Autos einfließt. Für die ganzheitliche Betrachtung, wie groß der CO2-Rucksack eines Elektrofahrzeugs über die gesamte Lebensdauer hinweg ist, spielen weitere Aspekte eine entscheidende Rolle. Denn die gesamte Lieferkette eines E-Autos einschließlich des Abbaus und der Verarbeitung von Rohstoffen und die Herstellung der Akkus ist alles andere als klimafreundlich. Aber unter Berücksichtigung, dass selbst CO2 erzeugt wird bei der Förderung von Rohöl und der Herstellung von Benzin und Diesel kommen wissenschaftliche Studien zu erstaunlichen Ergebnissen.

So hat die Universität der Bundeswehr München im Februar 2022 eine der vielleicht umfangreichsten Veröffentlichungen zu dem Thema gemacht. Es wurden 790 verschiedene Pkw-Varianten verglichen und bei vollelektrischen Autos, die mit Ökostrom geladen wurden, lag die Reduzierung des Treibhausgases über den gesamten Lebenszyklus bei 89 %. Eine weitere Studie, die von der Yale School of the Environment (YSE) im Dezember 2021 veröffentlicht wurde, bestätigt dieses Ergebnis. Auch hier liegen die Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Benzinern und Diesel ganz klar vorne. Ebenfalls die Umweltorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT), die bereits beim Aufdecken des Dieselskandals 2015 maßgeblich beteiligt war, kam in einer ausführlichen Lebenszyklus-Analyse eindeutig zum Ergebnis, dass E-Autos deutlich die klimafreundlichsten Kraftfahrzeuge sind. 

#7 Mythos: Die Reichweite von E-Autos reicht nicht aus

In den Anfangstagen der Elektromobilität war eine Reichweitenangst noch durchaus berechtigt. Mit E-Autos unter einer geringen 200-km-Marke und einer quasi nicht existierenden Ladeinfrastruktur musste genau geplant werden, um nicht liegen zu bleiben. Und auch heute noch hält sich diese Meinung hartnäckig, obwohl ein Durchschnittsdeutscher nur rund 35 Kilometer pro Tag fährt. Heute haben E-Autos abhängig von der Akkuleistung, Beladung, Fahrweise und dem Fahrzeugmodell eine Reichweite von 500 Kilometern und mehr. Auch E-Autos im Mittelklassebereich liegen bei 250 bis 400 Kilometern und in 2020 lag ihr Anteil auf deutschen Straßen bei über 50 %.

Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der zukünftig das Reichweiten-Thema in den Hintergrund rücken lassen wird – die Ladeleistung. Selbst wenn ein durchschnittliches Elektroauto eine Reichweite von ca. 300 Kilometern hat, ist es inzwischen wichtiger, dass auf langen Strecken schnell geladen werden kann. Die notwendige Infrastruktur gibt es inzwischen und wird weiter ausgebaut. Statt auf große und teure Batterien zu setzen, spielt die Ladegeschwindigkeit zukünftig eine entscheidende Rolle. Wenn ein Ladevorgang nur noch 20 Minuten dauert, dann sind auch auf Langstrecken kleine Pausen zum Laden drin – gerade wenn man mit Familie und Kindern in den Urlaub fährt.

#8 Mythos: Elektroautos sind brandgefährlich

Je mehr E-Fahrzeuge auf unseren Straßen fahren, desto intensiver wird auch über das Thema Sicherheit diskutiert. Wie sicher sind Elektroautos tatsächlich bei einem Unfall oder einer Panne? Dazu muss vorab klargestellt werden, dass alle im Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge hohe und gesetzlich festgelegte Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Fahrzeug mit Benzin oder Diesel, Erd- oder Flüssiggas oder elektrisch mit einem Akku betrieben wird. Auch durchlaufen E-Autos dieselben Euro NCAP-Crashtest wie beispielsweise Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Insbesondere bei E-Fahrzeugen sind spezielle Anforderungen zu erfüllen, da die elektrischen Komponenten „eigensicher“ ausgelegt sein müssen. Das bedeutet im Falle eines Defekts im System (wie z. B. ein Unfall oder eine Panne), dass der Stromfluss der Batterie sofort automatisch von anderen Hochvoltkomponenten und -kabeln getrennt wird. Durch die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren und des Deutschen Feuerwehrverbands wurden in ihren Empfehlungen zur „Risikoeinschätzung Lithium-Ionen-Speichermedien“ festgehalten, dass sich E-Autos hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung nicht von Verbrennerfahrzeugen unterscheiden.   

#9 Mythos: Elektromobilität lässt unser Stromnetz zusammenbrechen 

Vermutlich würde es zu einem Blackout führen, wenn an die 45 Millionen Elektroautos in Deutschland gleichzeitig geladen werden würden. Jedoch waren am 1. Januar 2022 laut Kraftfahrtbundesamt erst 618.460 reine Elektrofahrzeuge zugelassen. Und die aktuelle Netzstruktur bietet eine Kapazität, die für das Laden von mehr als 10 Millionen Elektroautos ausreichend ist. Auch werden niemals alle Stromer gleichzeitig geladen. Denn ein Autofahrer nutzt sein Fahrzeug täglich für Strecken von rund 40 Kilometern im Durchschnitt. Mit einer Akkureichweite von 200 Kilometern müsste demnach ein E-Auto nur einmal pro Woche geladen werden.

Hinzu kommt, dass das bestehende Stromnetz weiter ertüchtigt wird. Denn auch die Einspeisung von Millionen von PV-Anlagen oder die Durchleitung von Windstrom aus dem Norden in den Süden müssen ebenfalls gewährleistet werden. Damit wird das intelligente Stromnetz (Smart Grid) immer mehr zu einer Realität. Und dadurch findet ein intelligentes Energiemanagement Anwendung, welches die Nutzung der zur Verfügung stehenden Energie effizient nutzt. Hier spielt auch mit rein, dass die Akkus von E-Autos als Pufferspeicher genutzt werden können. So kann das E-Auto tagsüber mit Sonnenstrom geladen werden und kann abends das Zuhause mit Strom versorgen.

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